Darlegung der Zahlungsunfähigkeit


| Tags: Restrukturierung / Insolvenzrecht


Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO muss nicht durch Aufstellung einer Liquiditätsbilanz, sondern
kann auch mit anderen Mitteln dargelegt werden.

BGH, Urteil vom 28. Juni 2022 – II ZR 112/21

Die Schuldnerin gehörte als Tochterunternehmen einer Unternehmensgruppe an, bei der ein Cash-Pool im Wege
eines taggenauen Clearing-Verfahrens durchgeführt wurde. Der Insolvenzverwalter hat den Geschäftsführer der
schuldnerischen GmbH wegen des Ersatzes für Zahlungen nach Insolvenzreife (§ 64 S. 1 GmbHG a. F.) in Anspruch
genommen. Den Nachweis für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit hat der Insolvenzverwalter dadurch angetreten,
dass er mehrere taggenaue Liquiditätsstatus in einem Zeitraum von 3 Wochen vorgelegt hat, aus denen sich jeweils
eine nicht unerhebliche Liquiditätslücke ergab. Das Berufungsgericht hatte die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit
für nicht ausreichend angesehen, sondern eine Gesamtbetrachtung in Form einer Gesamtliquiditätsplanung der
Unternehmensgruppe für notwendig erachtet, um die im Beurteilungszeitraum vorhandene Liquidität im Cash-Pool
feststellen zu können.


Der BGH ist dem entgegengetreten mit der Feststellung, dass die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit nicht nur
durch Aufstellung einer Liquiditätsbilanz, sondern auch auf andere Art und Weise erfolgen kann. So kann der Insolvenzverwalter die Zahlungsunfähigkeit auch durch einen Liquiditätsstatus auf den Stichtag in Verbindung mit einem
Finanzplan für die darauffolgenden 3 Wochen darlegen oder aber durch mehrere taggenaue Liquiditätsstatus an
hintereinander liegenden Stichtagen. Bei der letztgenannten Variante, die vom Kläger angewendet wurde, bedarf es
nicht der Berücksichtigung des Verhältnisses der Summe von Aktiva I und Aktiva II zur Summe von Passiva I und II. Einer gesonderten Berücksichtigung etwaiger im Cash-Pool innerhalb der dem jeweiligen Stichtag folgenden 3 Wochen generierten Liquidität bedarf es bei dieser Variante ebenfalls nicht, da die tatsächlich zugeführte Liquidität die Liquiditätslücke zu den vom Insolvenzverwalter betrachteten Zeitpunkten nicht beseitigt hatte.


Anmerkung: Der BGH gibt dem Insolvenzverwalter mit dieser Entscheidung eine weitere Möglichkeit zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit an die Hand. Die Möglichkeit des Nachweises der Zahlungsunfähigkeit durch statische Liquiditätsdaten wird dem Insolvenzverwalter nicht nur die Darlegung von Ansprüchen im Bereich der Geschäftsführerhaftung, sondern auch von Ansprüchen wegen Insolvenzanfechtung erleichtern. Dies gilt natürlich auch für die Möglichkeit der jeweiligen Anspruchsgegner, mithilfe der Liquiditätsdaten aus der Finanzbuchhaltung ggf. einen Entlastungsbeweis
zu führen.

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