Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung zur Mängelbeseitigung vor Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs


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Mit Urteil vom 25. Februar 2022 (Az.: 21 U 1099/20, bereits rechtskräftig) entschied das Kammergericht, dass es für die Geltendmachung eines Kostenvorschusses durch den Auftraggeber wegen mangelhafter Werkleistung unter bestimmten Voraussetzungen keiner vorherigen, eine Frist beinhaltenden Mängelbeseitigungsaufforderung an den Auftragnehmer bedarf.

 

I. Sachverhalt

Der Auftraggeber machte gegen den Auftragnehmer u.a. einen Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses wegen mangelhafter Werkleistung an einem Bauwerk geltend. Im Rahmen der ersten Instanz stellte das Landgericht Berlin fest, dass die Voraussetzungen eines Kostenvorschussanspruchs vorlegen, da das vom Auftragnehmer ausgeführte Wärmedämmverbundsystem in mehrfacher Hinsicht, mangelhaft errichtet worden sei. Der Sachverständige habe vielfach Mängel festgestellt, die teilweise als grob mangelhafte Ausführung anzusehen seien. Es legen auch vielfach Verstöße gegen die anerkannten Regeln der Technik vor. Diese Mängel seien durch einen Abriss und eine Neuherstellung zu beheben. Dabei müsse der Auftraggeber die Neuherstellung nicht vom Auftragnehmer durchführen lassen. Die Häufung von groben Mängeln lasse befürchte, dass es dem Auftragnehmer an der für die Neuherstellung des Wärmedämmverbundsystems erforderlichen Fachkompetenz fehle. Gegen das Urteil des Landgerichts legte der Auftragnehmer Berufung ein. Zur Begründung trug der Auftragnehmer im Wesentlichen vor, dass dem Auftraggeber ohne vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung kein Vorschussanspruch zustehe und von dem Fristsetzungserfordernis auch nicht ausnahmsweise abzusehen sei.

 

II. Entscheidungsgründe des KG

Das Kammergericht wies die Berufung als unbegründet zurück und bejahte den Anspruch des Auftraggebers gegen den
Auftragnehmer auf Zahlung des für die Mängelbeseitigung erforderlichen Betrages als Kostenvorschuss. Einer vorherigen
Fristsetzung des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer zur Beseitigung der Mängel bedurfte es nicht. Zwar sehe das
Gesetz in § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B vor, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer vor der Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs, ordnungsgemäß fristbeinhaltende Mängelbeseitigungsaufforderung voraus. Allerdings sei eine solche hier ausnahmsweise nicht erforderlich gewesen. Eine Ausnahme vom Erfordernis der Aufforderung zur Mängelbeseitigung nebst Fristsetzung sei dann anzunehmen, wenn das Verhalten des Auftragnehmers von vorneherein zweifelsfrei und endgültig erkennen lasse, dass er einer Aufforderung zur Nacherfüllung nicht nachkommen werde. Zudem bedürfe es einer Nachfristsetzung auch dann nicht, wenn sich der Auftragnehmer im konkreten Vertragsverhältnis bei der Bauausführung nachweislich derart unzuverlässig und nachlässig verhalten hat, dass dem Auftraggeber die Vornahme der Mängelbeseitigung durch diesen Auftragnehmer nicht mehr zuzumuten sei. Dies sei der Fall, wenn die für die Durchführung des Bauvertrages erforderliche Vertrauensgrundlage tiefgreifend erschüttert sei, wodurch dem Auftraggeber es nicht mehr zumutbar sei, länger am Vertrag festzuhalten.

 

III. Praxistipp

Das Urteil des Kammergerichts zeigt, dass es vor der Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs durch den Auftraggeber grundsätzlich weiterhin der vorherigen ordnungsgemäßen, fristbeinhaltenden Mängelbeseitigungsaufforderung
bedarf. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vertragsparteien die Anwendung der VOB/B vereinbart haben oder die werkvertraglichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches anwendbar sind. Von der vorherigen Nachfristsetzung zur Mängelbeseitigung kann nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen abgesehen werden. Ob dem Auftraggeber die Mängelbeseitigung durch den Auftragnehmer unzumutbar ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und lässt sich nicht pauschal feststellen. Die Mangelhaftigkeit der Leistung an sich begründet aber noch keine solche Unzumutbarkeit einer Nachbesserung durch den Auftragnehmer. Daher ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu empfehlen, vor der Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs nur dann von der Setzung einer Nachfrist zur Mängelbeseitigung abzusehen, wenn der Auftragnehmer nachweislich, etwa durch einen Sachverständigen festgestellt, in ungewöhnlicher Häufigkeit gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen hat und die Verstöße zu gravierenden Mängeln geführt haben.

 

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