Grunderwerbsteuerreform verabschiedet


| Tags: Steuern


Das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes ist verkündet, die Änderungen, die insbesondere Anteilsübertragungen („Share Deals“) betreffen, treten zum 1. Juli 2021 in Kraft. Wir werfen einen genaueren Blick auf die zahlreichen Neuerungen, die insbesondere für Immobiliengesellschaften von Bedeutung sind und geben Hinweise zu den Übergangsregelungen.

Übersicht über die Neuregelungen

Kern der Neuregelungen sind die folgenden Maßnahmen:

  • Künftig wird auch dann Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2b GrEStG).
  • Die für einen schädlichen Gesellschafterwechsel oder eine Anteilsvereinigung maßgebliche Beteiligungsgrenze wird von 95 % auf 90 % abgesenkt (§ 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG).
  • Eine sogenannte „Börsenklausel“ soll vermeiden, dass die Übertragung von an einer Börse gehandelten Anteilen Grunderwerbsteuer auslöst (§ 1 Abs. 2c GrEStG).
  • Die grunderwerbsteuerlichen Haltefristen werden grundsätzlich von bisher 5 Jahren auf 10 Jahre verlängert (§ 1 Abs. 2a, Abs. 3 sowie §§ 5 und 6 GrEStG).

Einführung von § 1 Abs. 2b GrEStG

Die mit Abstand bedeutendste Neuerung ist die Einführung eines neuen Grunderwerbsteuertatbestandes: Künftig unterliegt auch der Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften der Grunderwerbsteuer, wenn innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2b GrEStG). Durch die Regelung sollen Transaktionen, bei denen nicht Grundbesitz als solcher, sondern Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften übertragen werden („Share Deals“), stärker als bisher in den Anwendungsbereich der Grunderwerbsteuer einbezogen werden, auch wenn dabei selbst kein Grundstück übertragen wird.

Der neue Grunderwerbsteuertatbestand ist erfüllt, wenn innerhalb des Zehnjahreszeitraums mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar auf neue Gesellschafter übergehen. Es kommt insoweit nicht darauf an, dass ein einzelner Gesellschafter eine bestimmte Beteiligungshöhe überschreitet, sodass der Tatbestand auch bei einer Vielzahl von Kleinstübertragungen verwirklicht werden kann.

Die Regelung gilt – wie schon die bisher bestehende Parallelregelung für Anteilsübertragungen bei Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG) – nur für Anteilsübergänge auf Neugesellschafter. Das bedeutet, dass Anteilsübertragungen auf Gesellschafter, die bereits vor Beginn des Zehnjahreszeitraums an der Immobiliengesellschaft beteilig waren, bei der Ermittlung der 90 %-Grenze nicht mitgezählt werden.

Eine Besonderheit gilt bei mehrstufigen Beteiligungen: Bei einer mittelbaren Beteiligung über eine Personengesellschaft werden alle Anteilsübertragungen auf Ebene der Personengesellschaft anteilig berücksichtigt. Bei einer mittelbaren Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft gilt diese erst dann als neue Gesellschafterin der Immobiliengesellschaft, wenn mindestens 90 % der Anteile der Gesellschafterin auf neue Gesellschafter übergegangen sind.

Steuerschuldner ist im Fall eines schädlichen Gesellschafterwechsels nicht der erwerbende Neugesellschafter, sondern die grundbesitzende Kapitalgesellschaft selbst. Aus diesem Grund sind von der Gesellschaft selbst sämtliche Anteilsübertragungsvorgänge zu überwachen und bei Überschreiten der 90 %-Grenze gegenüber dem Finanzamt anzuzeigen. Für die Geschäftsführung ist dabei zu beachten, dass auch mittelbare Anteilsübertragungen zu überwachen sind.

Mit der Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG werden Anteilsübertragungen bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften deutlich erschwert. Nach neuem Recht kann im Ergebnis eine Grunderwerbsteuer nur dann vermieden werden, wenn ein Altgesellschafter mindestens 10 % der Anteile zurückbehält und langfristig beteiligt bleibt.

Bei der Anwendung der neuen Vorschrift werden vor dem 1. Juli 2021 bereits übertragene Anteile bei der Ermittlung der 90 %-Grenze nicht mitgerechnet. Dies gilt sowohl für unmittelbare wie mittelbare Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften. Der Zehn-Jahreszeitraum beginnt daher frühestens am 1. Juli 2021 zu laufen. Zu beachten ist dabei, dass es für den Zeitpunkt des Anteilsübergangs nicht auf den Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts ankommt, sondern darauf, ob die Änderung des Gesellschafterbestandes vor oder nach dem 1. Juli 2021 dinglich vollzogen wurde. Für Anteilsübertragungen, die zwar vor dem 1. Juli 2021 abgeschlossen, aber erst nach dem 1. Juli 2021 dinglich vollzogen werden, finden bereits die neuen Regelungen Anwendung.

Absenkung der 95 % Grenze auf 90 %

Für den Gesellschafterwechsel bei einer grundbesitzenden Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG) sowie für die rechtliche oder wirtschaftliche Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 und Abs 3a GrEStG) wird der maßgebliche Schwellenwert von 95 % auf 90 % abgesenkt. Die weitergehende Forderung nach einer Absenkung auf 75 % konnte sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen.

Sofern vor dem 1. Juli 2021 bereits eine Beteiligung von mindestens 90 %, aber weniger als 95 % bestand, gilt die 95 %-Grenze zunächst weiter, um steuerfreie Aufstockungen von z.B. 94,9 % auf 100 % zu verhindern. Für Veränderungen im Gesellschafterbestand einer Immobilien-Personengesellschaft gilt dies bis zum 30. Juni 2026, für rechtliche und wirtschaftliche Anteilsvereinigungen dagegen zeitlich unbegrenzt unabhängig von der Rechtsform der Immobiliengesellschaft.

Für Immobilien-Personengesellschaften gilt aus Gründen des Vertrauensschutzes eine weitere Übergangsregelung: Danach können Personen, die am 30. Juni 2021 nach altem Recht bereits als „Altgesellschafter“ anzusehen waren, allein durch die Verlängerung des Betrachtungszeitraums nicht wieder „Neugesellschafter“ werden. Sie können damit weiter Anteile an der Immobilien-Personengesellschaft erwerben, ohne dass eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst wird.

Börsenklausel

Mit einer neuen Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG) will der Gesetzgeber verhindern, dass durch den regulären Handel von an der Börse gelisteten Gesellschaften, die über Immobilienvermögen verfügen oder an Immobiliengesellschaften beteiligt sind, Grunderwerbsteuer ausgelöst wird. Übergänge von Anteilen an börsennotierten Kapitalgesellschaften bleiben bei der Ermittlung der 90 %-Grenze für einen schädlichen Gesellschafterwechsel (§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG) außer Betracht. Die Börsenklausel begünstigt jedoch nicht die rechtliche oder wirtschaftliche Anteilsvereinigung, also den unmittelbaren oder mittelbaren Erwerb einer Beteiligung von mehr als 90 % an einer Immobiliengesellschaft (§ 1 Abs. 3 und Abs 3a GrEStG). Diese unterliegen weiterhin der Grunderwerbsteuer.

Verlängerung der Haltefristen von fünf auf zehn Jahre

Des Weiteren werden durch die Neuregelung die grunderwerbsteuerlichen Haltefristen grundsätzlich auf zehn Jahre verlängert. Die Verschärfung betrifft den Gesellschafterwechsel bei einer grundbesitzenden Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG) sowie die Steuerbefreiungsvorschriften für den Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (§ 5 GrEStG) oder von einer Gesamthand (§ 6 GrEStG). Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung bei einer Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft wird die Vorbehaltensfrist sogar auf 15 Jahre verlängert. Für die Steuerbefreiung bei Umstrukturierungen im Konzern (§ 6a GrEStG) bleibt es jedoch bei der fünfjährigen Vor- und Nachbehaltensfrist.

Soweit es die Verlängerung der Haltefristen von fünf auf zehn bzw. 15 Jahre für Übergänge von oder auf eine Gesamthand betrifft, kommt es ebenfalls zu geltenden Ausnahmen für diejenigen Fälle, für die die bisher geltende Fünf-Jahresfrist bereits vor dem 1. Juli 2021 abgelaufen war.

Die Reform gibt Anlass, aktuelle und kurzfristig geplante Transaktionen zu analysieren und dahingehend zu prüfen, ob der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts und der dingliche Vollzug noch vor dem 1. Juli 2021 umsetzbar ist, um noch von den alten Regelungen zu profitieren. Es kann sich allerdings auch im Einzelfall anbieten, Transaktionen auf einen späteren Zeitpunkt nach Inkrafttreten der Neuregelungen zu verschieben, um die Anteilsübertragung einheitlich den neuen Regelungen zu unterwerfen. Insbesondere in den Fällen des Auslösens eines neuen Tatbestandes nach § 1 Abs. 2b GrEStG könnte dies sich anbieten, um die Grunderwerbsteuer als sofort abzugsfähige Betriebsausgabe wie in den bisherigen Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG berücksichtigen zu können.

 

Ihre Ansprechpartner bei Rückfragen

Dr. Malte Strüber, Berlin
Rechtsanwalt / Steuerberater
Daniel Fischer, Köln
Rechtsanwalt / Steuerberater
Dr. Oliver Trautmann, Frankfurt/Main
Steuerberater / Wirtschaftsprüfer
Alessio Rossi, Köln
Rechtsanwalt / Steuerberater
Christian Weimann, Berlin
Rechtsanwalt / Steuerberater
Lars Freigang, Leipzig
Steuerberater