Kein Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz


| Tags: Restrukturierung / Insolvenzrecht


Der von der Rechtsprechung zur Korrektur einer fehlerhaften Prognose über den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs bei betriebsbedingter Kündigung entwickelte Wiedereinstellungsanspruch besteht jedenfalls in der Insolvenz nicht. Der zur Durchsetzung dieses Anspruchs erforderliche Kontrahierungszwang ist mit der Systematik der Insolvenzordnung nicht vereinbar.


BAG, Urteil vom 25. Mai 2022 – 6 AZR 224/21


Der klagende Arbeitnehmer war ursprünglich bei einer Gesellschaft beschäftigt, die ihren Betrieb stilllegen wollte und dem Kläger deswegen kündigte. Der Kläger hatte die Kündigung zunächst akzeptiert und nicht innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben. Nachdem die Gesellschaft jedoch aus Sicht des Klägers statt der ursprünglich geplanten Betriebsstilllegung nun einen Betriebsübergang auf die spätere Insolvenzschuldnerin plante, erhob der Kläger innerhalb der Kündigungsfrist eine Klage auf Wiedereinstellung gegen die Erwerberin des Betriebes. Die  Betriebserwerberin fiel anschließend in die Insolvenz und der Rechtsstreit wurde mit dem beklagten Insolvenzverwalter fortgeführt.

Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung bejaht in bestimmten Fällen einen Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers. Wenn der Arbeitgeber eine Kündigung aufgrund einer geplanten Stilllegung einer Betriebsabteilung oder der Schließung des kompletten Betriebes erklärt hat und der Arbeitnehmer nicht innerhalb von 3 Wochen eine Kündigungsschutzklage erhebt, ist die Kündigung grundsätzlich wirksam. Stellt sich anschließend vor Ablauf der Kündigungsfrist heraus, dass der Arbeitsplatz doch nicht entfällt, weil der Betrieb entgegen der Prognose des Arbeitgebers fortgeführt wird bzw. es zu einem Betriebsübergang kommt, kann der Arbeitnehmer eine Klage auf Wiedereinstellung erheben. Das BAG hat nun entschieden,
dass es diesen Wiedereinstellungsanspruch jedoch nicht in der Insolvenz gibt. Das BAG begründet dies damit, dass
ein derartiger Wiedereinstellungsanspruch zu einem Kontrahierungszwang des Insolvenzverwalters führen würde, der der Systematik der Insolvenzordnung widerspricht. Grundsätzlich muss der Insolvenzverwalter alle bestehenden  Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz übernehmen. Dies gilt auch für Arbeitsverhältnisse, bei denen der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung innerhalb von 3 Wochen rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben hat. Eine weitere Ausdehnung dieser Regelung auf wirksam beendete Arbeitsverhältnisse, bei denen der Arbeitnehmer einen Wiedereinstellungsanspruch geltend macht, würde aus Sicht des BAG dazu führen, dass der Insolvenzmasse dieses Arbeitsverhältnis oktroyiert wird. Dies lässt sich der Insolvenzordnung nicht entnehmen. 


Anmerkung: Die Entscheidung des BAG gibt dem Insolvenzverwalter Rechtssicherheit. Der Insolvenzverwalter kann sich darauf verlassen, dass Arbeitnehmer, die sich nicht innerhalb der Frist von 3 Wochen gegen eine Kündigung gerichtlich zur Wehr gesetzt haben, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen Wiedereinstellungsanspruch gegen die Insolvenzmasse geltend machen können. Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter selbst entscheidet, statt der ursprünglich vorgesehenen Betriebsschließung den Betrieb nun doch zu veräußern. Für die Arbeitnehmer bedeutet diese Entscheidung, dass sie sich im Zweifel dazu entscheiden sollten, eine Kündigung rechtzeitig innerhalb der Drei-Wochen-Frist gerichtlich anzugreifen.

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