Nur wer schreibt, bleibt: Kündigung wegen Schriftformmangels bei gewerblichem Mietverhältnis wegen mangelnder schriftlicher Bezeichnung der Mietfläche


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Befristete gewerbliche Mietverträge mit einer Dauer von über einem Jahr sind i.d.R. nicht ordentlich kündbar. Voraussetzung ist die Einhaltung der Schriftform (§ 550 BGB), wobei die Rechtsprechung nach wie vor einen eher strengen Maßstab anlegt. Mit Urteil vom 4. November 2022 entschied der BGH (Az.: XII ZR 4/20) erneut nach diesem eher strengen Maßstab. Der BGH konstatierte, dass eine mangelnde schriftliche Bezeichnung der Mietfläche auch dann einen Schriftformmangel darstelle, wenn die Fläche untervermietet ist und daher tatsächlich bestimmbar wäre, jedoch Mängel im Rahmen der schriftlichen Fixierung der Untervermietung selbst vorliegen.


I. Sachverhalt

Die Beklagte schloss einen Gewerbemietvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, um die mietgegenständliche Gewerbefläche als Ladenfläche zu nutzen. Die Räume vermietete die beklagte Mieterin an einen Dritten unter, ohne dass die Vermieterin davon wusste.

Die Klägerin erwarb das Grundstück und kündigte das Mietverhältnis mit der Beklagten aufgrund eines Schriftformmangels.
Der im Mietvertrag zur Bestimmung des Mietgegenstandes als Anlage vorgesehene Grundrissplans war der Vertragsurkunde
nicht beigefügt. Die Beklagte verteidigte sich u.a. damit, dass der Mietgegenstand untervermietet sei und daher anhand der tatsächlichen Umstände durch Auslegung hinreichend bestimmbar sei.


II. Ständige Rechtsprechung zu Schriftformmängeln

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH gilt: Ein für längere Zeit als ein Jahr abgeschlossener Mietvertrag über Gewerberäume wahre die gem. §§ 578 Abs. 1, 2, 550 S. 1 BGB erforderliche Schriftform grundsätzlich nur dann, wenn sich die wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere Mietgegenstand, Mietzins sowie Dauer und Parteien des Mietverhältnisses – aus der Vertragsurkunde ergeben. Dies diene in erster Linie dem Informationsbedürfnis und damit dem Schutz des in den Vertrag gem. § 566 Abs. 1 BGB von Gesetzes wegen eintretenden Erwerbers. Diesem soll durch die Schriftform ermöglicht werden, sich von Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu unterrichten.

Gleichwohl sei es zulässig, auf außerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umstände zurückzugreifen. Diese müssten allerdings zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen und hinreichend bestimmbar sein.
 
Erfüllt ein ursprünglicher Mietvertrag die Schriftform nicht, können die Vertragsparteien durch einen formgerechten Nachtrag die Schriftform mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses jedoch nachholen (sog. Heilung). Sofern der Mieter bereits bei Abschluss des Gewerbemietvertrags oder eines potenziell heilenden Nachtrags den Mietgegenstand nutzt, könne aus eben dieser Nutzung eine hinreichende Bestimmung abgeleitet werden. Hierbei könne der Umfang der bisherigen Nutzung zur Auslegung herangezogen werden.


III. Besonderheit im BGH-Fall (Urteil vom 4. November 2022)

Wie eingangs erwähnt, hatte die beklagte Mieterin in dem Fall, der dem BGH zur Entscheidung vorlag, die Mietfläche an einen Untermieter vermietet und war nicht selbst die Nutzerin der Fläche. Im Ergebnis war zwar grundsätzlich der Mietgegenstand anhand der bis dahin erfolgten Nutzung bestimmbar, weshalb eine Heilung des ursprünglichen Mangels im Wege des Nachtrags in Betracht kam (statt des Grundrissplans nun aufgrund Verweises auf bisherige Nutzung). Die Tatsache, dass die Mietfläche aber an einen dem Vermieter Unbekannten untervermietet war, hielt den BGH wiederum zur Strenge an. Als zentrales Argument diente – wie so oft in der Rechtsprechung zu Schriftformmängeln – der Erwerberschutz.

Der Schutzzweck sei laut BGH gerade nicht gewahrt, wenn der Erwerber zur Bestimmung des Mietgegenstands an Ort und Stelle über die Vertragsurkunde hinaus Nachforschungen über eventuelle Untermietverträge anstellen muss.

Die tatsächliche Nutzung sei für die Bestimmbarkeit des Mietobjekts nur dann ein taugliches Kriterium, wenn auch für den Erwerber die Identität des Untermieters erkennbar ist. Dieser könne in dem Mietvertrag namentlich eingebunden werden oder auch in einer Nachtragsvereinbarung auftreten. Fehlt es aber an all dem, komme die Heilung eines ursprünglichen Mangels bei Bestimmung des Mietgegenstandes aufgrund Bezugnahme auf eine bisherige tatsächliche Nutzung nicht Betracht.


IV. Fazit

Trotz zunehmender Auflockerung der eher strengen ständigen Rechtsprechung des BGH zu Schriftformmängeln bleibt
das Thema höchst praxisrelevant. Die mannigfaltige und stetig weiterentwickelte Kasuistik hierzu ist für juristische Laien nur schwer überschaubar, weshalb insbesondere bei Mietvertragsabschlüssen rechtliche Beratung unverzichtbar erscheint.

 

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