Rechtsprechungs-Update: Keine Lohnfortzahlung bei Lockdown-Schließung


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Sowohl im vergangenen Jahr als auch im Frühjahr diesen Jahres war Deutschland im Lockdown. Eine Vielzahl von Betrieben, insbesondere Handelsgeschäfte, Restaurants und Hotels, hatten daher für längere Zeit zu schließen. Viele Arbeitgeber schickten ihre Arbeitnehmer in Kurzarbeit und die Arbeitnehmer bezogen Kurzarbeitergeld. Zum Teil war die Anordnung von Kurzarbeit bzw. der Bezug von Kurzarbeitergeld aber nicht möglich (z.B. bei geringfügig Beschäftigten). In diesen Fällen kam die Frage auf, ob die ohnehin schon finanziell gebeutelten Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer weiter vergüten müssen. Nunmehr verkündete das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein für Arbeitgeber erfreuliches Urteil.

Worum geht’s?

Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Arbeitet ein Arbeitnehmer nicht, ist er auch nicht zu vergüten. Dieser Grundsatz gilt aber nicht uneingeschränkt. So behalten Arbeitnehmer beispielsweise trotz Untätigkeit ihren Vergütungsanspruch, wenn sie aus betriebstechnischen Gründen nicht arbeiten können (z.B. bei Stromausfall, Brandschäden, Störungen von Betriebsmitteln oder höherer Gewalt wie Naturkatastrophen). Das Risiko solcher Betriebsstörungen (das sog. Betriebsrisiko) trifft grundsätzlich den Arbeitgeber und nicht die Arbeitnehmer.

Was hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Gegenstand der Entscheidung des BAG vom 13. Oktober 2021 ist eine Lohnklage einer geringfügig Beschäftigten, die in einem Geschäft für Nähmaschinen und Zubehör tätig ist. Im April 2020 musste das Geschäft aufgrund des Lockdowns schließen. Die Arbeitgeberin stellte für die Zeit des Lockdowns die Lohnzahlung ein. Hierauf erhob die Klägerin Klage auf Zahlung des aus ihrer Sicht ausstehenden Lohns und bekam in den ersten beiden Instanzen Recht. Beide Instanzgerichte sahen in der angeordneten Betriebsschließung und dem damit einhergehenden Arbeitsausfall eine Verwirklichung eines von der Arbeitgeberin zu tragenden Betriebsrisikos.

Das BAG sieht das aber nunmehr anders und weist die Klage ab. Die Urteilsgründe liegen zwar noch nicht vor. In seiner Pressemitteilung führt das BAG aber aus, dass es sich bei einem durch einen Lockdown hervorgerufenen Arbeitsausfall nicht um ein im Betrieb des Arbeitgebers angelegtes Risiko handele. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung sei vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs des Staates zu Bekämpfung einer erheblichen Gefahrenlage. Daher sei es Sache des Staates, für einen Ausgleich der finanziellen Nachteile der Arbeitnehmer zu sorgen.

Was sind die Konsequenzen?

Das Urteil des BAG ist überraschend. Die Gerichte sowie Stimmen in der Literatur nahmen bislang weithin an, dass sich auch bei behördlich angeordneten Betriebsschließungen ein Betriebsrisiko realisiert, so dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer weiter zu vergüten haben.[1] Aus unserer Sicht gelangt das BAG in seinem Urteil aber zutreffend zu dem Ergebnis, dass die Klägerin keine weiteren Vergütungsansprüche hat. Der unmittelbare Grund für die Betriebsschließung und den damit einhergehenden Arbeitsausfall war nicht die Corona-Pandemie, sondern die staatliche Entscheidung, flächendeckend einen Lockdown zu verhängen. Die Gründe für diese Entscheidung des Staates waren aber nicht in der betrieblichen Sphäre angesiedelt. Es muss daher der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ zur Anwendung kommen.

Haben Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer trotz Betriebsschließung weiterbezahlt, ist zu prüfen, ob und inwieweit Rückforderungsansprüche geltend gemacht werden können. Hier wäre aber auf jeden Fall schnelles Handeln geboten.

 

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Cord Vernunft, Berlin

Rechtsanwalt

Lucas Mühlenhoff, Berlin

Rechtsanwalt

 

[1] Vgl. z.B. LSG Hessen, Urteil vom 20. August 2010 – L 7 AL 165/06, BeckRS 2010, 73593.