Update InsO und StaRUG
Am 27.07.2022 ist ein Gesetz mit dem sperrigen Namen „Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften“ in Kraft getreten, das seinen insolvenzrechtlichen „Annex“ erst kurz vor der Verabschiedung im Bundestag erhalten hat. Bei dem Gesetzgebungsvorhaben geht es im Kern darum, virtuelle Hauptversammlungen, die bislang nur aufgrund von pandemiebedingten Sonderregelungen möglich waren, dauerhaft v. a. im Aktienrecht zu implementieren und so der fortschreitenden Digitalisierung dieses Rechtsbereichs Rechnung zu tragen. Am 06.07.2022 – einen Tag vor der Beschlussfassung im Bundestag – hat der Rechtsausschuss in einer Beschlussempfehlung in dieses bereits geschnürte Gesetzgebungspaket noch verschiedene Änderungen der InsO und des StaRUG hineingepackt, mit denen im Vorfeld niemand gerechnet hatte.
Um was geht es?
Der Gesetzgeber nutzt einerseits die Gelegenheit, durch einige kleinere Korrekturen Redaktionsversehen und Formulierungsunschärfen auszubügeln. Dies betrifft in der InsO im Wesentlichen Vorschriften zur Auskunftspflicht (§§ 97, 98 InsO) und zur Eigenverwaltung (§§ 270b, 270f InsO). Im StaRUG werden einige Vorschriften zu Restrukturierungsplänen (§§ 45, 48 StaRUG) sowie zum Restrukturierungsbeauftragten (§ 76 StaRUG) geändert. Die praktischen Auswirkungen der jeweiligen Änderungen sind gering.
Anders sieht es aus bei der Änderung des § 63 StaRUG. Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen das Restrukturierungsgericht die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans von Amts wegen – also ohne Antrag eines Beteiligten – versagen kann. Nach Inkrafttreten des StaRUG kamen Zweifel dahingehend auf, ob das Restrukturierungsgericht von Amts wegen als Vorfrage zur Bestätigungsentscheidung zu prüfen hat, ob die den Planszenarien zugrunde gelegte Unternehmensbewertung zutreffend ist. Wäre dies der Fall, würde sich daraus eine erhebliche Zeitverzögerung bis zur Planbestätigung ergeben, da u. U. von Amts wegen erst ein Unternehmensbewertungsgutachten eingeholt werden müsste. Problematisch wäre diese Handhabung vor dem Hintergrund, dass die Europäische Restrukturierungsrichtlinie vom 20. Juni 2019, auf die das StaRUG zurückgeht, in Art. 14 ausdrücklich vorsieht, dass eine gerichtliche Entscheidung über die zutreffende Bewertung des Unternehmens nur auf Antrag eines Planbetroffenen – und gerade nicht von Amts wegen – zu erfolgen hat. Der Gesetzgeber hat nun diesen Fehler „repariert“ und einen neuen § 63 Abs. 2 StaRUG verabschiedet, der die Prüfung einer Unternehmensbewertung im Rahmen einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung („cross-class cram-down“) nur auf ausdrücklichen Antrag eines Planbetroffenen vorsieht. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen, da der Erfolg eines StaRUG-Verfahrens in aller Regel auch davon abhängt, dass es zügig abgewickelt wird.
Und sonst noch?
Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG wurden bisher nicht-öffentlich durchgeführt, da öffentliche Bekanntmachungen von gerichtlichen Entscheidungen (noch) nicht vorgesehen waren. Dies ist seit dem 17.07.2022 anders: An diesem Tag sind die Vorschriften der §§ 84 – 88 StaRUG über öffentliche Restrukturierungssachen in Kraft getreten, die die öffentliche Bekanntmachung gerichtlicher Entscheidungen auf Antrag des Schuldners ermöglichen. Sofern es im Einzelfall für zweckdienlich gehalten wird, liegt es in der Hand des Unternehmens, die wesentlichen Daten und Entscheidungen zum Restrukturierungsverfahren öffentlich bekannt zu machen. Gläubiger können eine derartige Veröffentlichung gegen den Willen des Unternehmens nicht erzwingen. Mit dem Inkrafttreten dieser Vorschriften wurde auch das internetbasierte Restrukturierungsportal
www.restrukturierungsbekanntmachung.de aktiviert, auf dem neben allen Restrukturierungsgerichten die Veröffentlichungen abgerufen werden können. Bislang wird man dort allerdings noch nicht fündig, was neben der erst vor wenigen Tagen in Kraft getretenen gesetzlichen Grundlage sicherlich auch daran liegt, dass Restrukturierungsverfahren bis zu ihrem (hoffentlich erfolgreichen) Abschluss eher nicht das Licht der Öffentlichkeit suchen.
Zu guter Letzt…
§ 101 StaRUG verpflichtet das Bundesministerium der Justiz, „Instrumentarien zur frühzeitigen Identifizierung von Krisen“ (sog. Frühwarnsysteme) im Internet allgemein zugänglich bereitzustellen. Entsprechende Merkblätter und Checklisten können seit dem 17.07.2022 abgerufen werden unter https://www.bmj.de/DE/Themen/FinanzenUndAnlegerschutz/Fruehwarnsysteme/Fruehwarnsysteme.html.
Ebenfalls seit dem 17.07.2022 ist eine Checkliste für Restrukturierungspläne öffentlich zugänglich (siehe unter https://www.bmj.de/DE/Themen/FinanzenUndAnlegerschutz/Fruehwarnsysteme/Checkliste.html), wodurch das Ministerium seiner Verpflichtung aus § 16 StaRUG ebenfalls pünktlich nachgekommen ist.
Bei Durchsicht dieser Tools wird jedem schnell klar sein, dass derartige Checklisten, Merkblätter etc. eine fachkundige Beratung durch entsprechende Experten nicht ersetzen können.
Sprechen Sie uns bei Fragen gerne an.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht |