Verlust von Pensionsansprüchen wegen strafbaren Verhaltens


| Tags: Arbeitsrecht


Am 12. Dezember 2024 wies das Landgericht München II die Klage eines ehemaligen Vorstandsmitglieds einer Kreissparkasse ab. Sein Ziel: die Zahlung seiner dienstvertraglich vereinbarten Pension für den Monat März 2023. Der Kläger war kurz zuvor im Januar 2023 wegen Untreue in 30 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten verurteilt worden. Die Kreissparkasse, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die von der Verurteilung erst Ende Februar 2023 erfuhr, erhob ihrerseits Widerklage und forderte die bereits gezahlten Versorgungsbezüge ab dem 13. Januar 2023 zurück.

Rechtliche Grundlage für die Entscheidung

Das Landgericht München entschied, dass der Kläger seine Versorgungsansprüche verloren hat und die bereits gezahlten Versorgungsbezüge von ihm an die Kreissparkasse zurückzuzahlen sind.[1] Die Entscheidung begründete das Gericht maßgeblich damit, dass im Dienstvertrag geregelt ist, dass sich die Versorgungszusage des Klägers „nach bundesbeamtenrechtlichen Grundsätzen“ richtet. Insofern verweist der Dienstvertrag nach Auffassung des Gerichts auch auf § 59 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) in Verbindung mit § 41 des Bundesbeamtengesetzes (BBG). Dort ist geregelt, dass Ruhestandsbeamte ihre Versorgungsansprüche verlieren, wenn sie wegen einer vorsätzlichen Straftat, die vor Beendigung des Dienstverhältnisses begangen wurde, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden. Das Gericht stellte klar, dass die Verurteilung des Klägers wegen mehrerer vorsätzlicher Straftaten ebenfalls zu einem Verlust der Versorgungsansprüche führt, wenn die für die begangenen Straftaten gebildete Gesamtfreiheitsstrafe mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe beträgt. Es kam also nicht entscheidend darauf an, dass durch eine einzelne Untreuehandlung eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verhängt wird.

Bedeutung für die Praxis

Den genannten beamtenrechtlichen Vorschriften liegt der Gedanke zugrunde, dass Personen, die in gravierender Weise gegen die staatliche Rechtsordnung verstoßen, nicht mehr würdig sind, vom Staat eine Altersversorgung zu erhalten. Dieser Gedanke ist auf rein privatrechtlich geregelte Versorgungszusagen (Betriebsrenten) grundsätzlich nicht übertragbar. Anders als Beamte unterliegen Arbeitnehmer sowie auch gesetzliche Vertreter juristischer Personen (z.B. Vorstände oder Geschäftsführer) keiner generellen vertraglichen Pflicht, sich rechtstreu zu verhalten. Außerdienstliche Rechtsverstöße sind nur dann relevant, wenn ein Bezug zum Arbeits- bzw.  Dienstverhältnis vorliegt. Ferner haben Betriebsrenten nicht nur einen Versorgungs-, sondern auch einen Entgeltcharakter. Durch die Zahlung einer Betriebsrente wird auch die Betriebstreue des Mitarbeiters belohnt. Ansprüche aus Versorgungszusagen (sog. Versorgungsanwartschaften) genießen Eigentumsschutz und werden ratierlich mit zunehmender Betriebstreue unverfallbar, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, aber nach Vollendung des 21. Lebensjahres und mindestens dreijährigem Bestehen der Versorgungszusage endet. Im Betriebsrentengesetz fehlt insofern eine zu §§ 59 BeamtVG, 41 BBG vergleichbare Regelung zum Verlust von Versorgungsansprüchen bei strafrechtlicher Verurteilung.

Es entspricht jedoch der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs, dass schwerwiegende Treuepflichtverletzungen des Mitarbeiters (ehemalige) Arbeitgeber dazu berechtigen können, eine Versorgungsanwartschaft bzw. Betriebsrente teilweise oder sogar gänzlich zu „widerrufen“. Bei solchen schwerwiegenden Treuepflichtverletzungen können Arbeitgeber dem Mitarbeiter den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegensetzen. Dazu reicht es aber nicht bereits aus, dass ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses besteht oder dass der Mitarbeiter gegen strafrechtliche Vorschriften verstoßen hat.[2] Vielmehr ist der Einwand des Rechtsmissbrauchs nur bei gravierenden Verstößen des Mitarbeiters zulässig, wenn sich die Betriebstreue des Mitarbeiters hierdurch nachträglich als wertlos oder zumindest erheblich entwertet herausstellt. In diesem Zusammenhang haben sich nach der Rechtsprechung insbesondere zwei Konstellationen herausgebildet, bei denen je nach den Umständen des Einzelfalls ein (Teil-) Widerruf einer Versorgungszusage in Betracht kommt:

  • Vertuschung schwerer Verfehlungen durch den Arbeitnehmer, wenn hierdurch eine rechtzeitige außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers verhindert wurde, bevor die Versorgungsanwartschaft unverfallbar wurde;[3]
  • Existenzgefährdung des Arbeitgebers durch gravierende Pflichtverstöße des Arbeitnehmers (z.B. durch gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtete Straftaten wie Untreue, Diebstahl, Betrug, etc.);[4]

Sofern ein Widerruf einer Versorgungszusage nicht erfolgsversprechend ist, ist bei laufenden Betriebsrenten zumindest in Betracht zu ziehen, im Wege der Aufrechnung eigene Gegenforderungen (z.B. Schadensersatzforderungen) in voller Höhe entgegenzuhalten. In diesem Zusammenhang sind Pfändungsfreigrenzen zugunsten des Betriebsrentners nicht zu beachten, wenn z.B. die Gegenforderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung oder einem sonstigen „besonders anstößigen Verhalten“ des Betriebsrentners beruht.[5]

 Fazit

Arbeitgeber sind gut beraten, im Fall von nachweisbaren gravierenden Compliance-Verstößen von Führungskräften und Mitarbeitern zu prüfen, ob auch ein (Teil-) Widerruf von Versorgungszusagen in Betracht kommt. Zwar sind die Anforderungen der Gerichte an einen (Teil-) Widerruf hoch. Compliance-Verstöße sind jedoch regelmäßig mit Vertuschungshandlungen verbunden, sodass ein (Teil-) Widerruf einer Versorgungszusage u.U. erfolgsversprechend ist.

 

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Lucas Mühlenhoff, LL.M.

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

[1] Vgl. Pressemitteilung vom 12. Dezember 2024, abrufbar unter: https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/landgericht/muenchen-2/presse/2024/7.php

[2] BGH, Urteil vom 17. Dezember 2001 – II ZR 222/99, NZA 2002, 511.

[3] BAG, Urteil vom 13. November 2012 – 3 AZR 444/10, NZA 2013, 1279.

[4] BAG, Urteil vom 26. April 2018 – 3 AZR 738/16, NZA 2018, 1066.

[5] LAG Düsseldorf, Urteil vom 16. Oktober 2012 – 17 Sa 461/11, BeckRS 2013, 65003.