Was ändert sich für Arbeitgeber durch das Bürokratieentlastungsgesetz?
Deutschlands Wirtschaft ächzt unter der Bürokratie. Dies ist derzeit zumindest ein gängiges Narrativ in der Politik und in den „Chefetagen“. Insbesondere auch kleine und mittelständische Unternehmen beklagen sich über den stetig zunehmenden Verwaltungsaufwand und die damit verbundenen hohen Kosten. Mit Blick auf die schwachen Wirtschaftsdaten Deutschlands entschloss sich die Ampel-Regierung nunmehr dazu, die deutsche Wirtschaft durch das sog. Bürokratieentlastungsgesetz IV[1] jährlich um rund 944 Millionen Euro zu entasten. Diese Entlastung soll unter anderem durch eine Absenkung zivilrechtlicher Formerfordernisse erreicht werden.
Am 26. September 2024 nahm der Bundestag den Entwurf der Bundesregierung an. Am 18. Oktober 2024 stimmte auch der Bundesrat zu. Das Gesetz wurde am 29. Oktober 2024 im Bundesgesetzblatt verkündet. Die Vorschriften des Bürokratieentlastungsgesetzes treten somit größtenteils am 1. Januar 2025 in Kraft.[2] Auch im Bereich des Arbeitsrechts hält das Bürokratieentlastungsgesetz einige erfreuliche Erleichterungen für Arbeitgeber bereit. Diese möchten wir nachfolgend kurz beleuchten.
1. Nachweisgesetz
Das Nachweisgesetz verpflichtet Arbeitgeber dazu, die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb bestimmter Fristen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Ein Ärgernis ist bislang, dass der Nachweis zwingend in Schriftform erbracht werden muss und ein Nachweis in elektronischer Form ausgeschlossen ist.[3] Schon bei Inkrafttreten des reformierten Nachweisgesetzes im August 2022 wurde das Schriftformerfordernis stark kritisiert und als „Relikt aus der Steinzeit“ angesehen.
Zur Wahrung der Schriftform muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein handschriftlich unterzeichnetes Dokument aushändigen. Da der Nachweis im Regelfall mittels des Arbeitsvertrages erbracht wird, führt dies dazu, dass dem Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber handschriftlich unterzeichneter Arbeitsvertrag in Papierform ausgehändigt werden muss, obwohl der Arbeitsvertrag grundsätzlich keinen Formvorschriften unterliegt. Das Gleiche gilt für sämtliche nachträgliche Änderungen wesentlicher Vertragsbedingungen (z.B. Gehaltserhöhungen). Gerade multinational aufgestellte Arbeitgeber stellt dies bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, bei denen z.B. die Personalabteilung des Arbeitgebers, die zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrags befugte Person und der Arbeitnehmer in unterschiedlichen Staaten angesiedelt sind, des Öfteren vor logistische Schwierigkeiten.
Ab dem 1. Januar 2025 ist es nunmehr ausreichend, dass die Niederschrift in Textform abgefasst und elektronisch übermittelt wird, wobei der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordern muss, einen Empfangsnachweis zu erteilen. Mit der Ersetzung der Schriftform durch die Textform kann der Nachweis zukünftig auch ohne Weiteres digital erbracht werden. Wenn jedoch der Arbeitnehmer ausdrücklich einen schriftlichen Nachweis der Arbeitsbedingungen verlangt, muss der Arbeitgeber die Informationen weiterhin in Schriftform übermitteln.
Die dargestellte Formerleichterung gilt nicht für Arbeitnehmer, die in einem in § 2a Abs. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Wirtschaftsbereich bzw. -zweig beschäftigt werden. Dazu gehören u.a. das Bau‑, Gaststätten-, Beherbergungs-, Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe, die Fleischwirtschaft sowie das Wach- und Sicherheitsgewerbe. Hintergrund dieser Einschränkung ist, dass der Gesetzgeber in diesen Bereichen die Beibehaltung der Schriftform zum Schutz der Arbeitnehmer für erforderlich hält.
2. Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
Im Bereich der Leih- bzw. Zeitarbeit wird das bislang für Überlassungsverträge bestehende Schriftformerfordernis zwischen Ver- und Entleihern aufgehoben. Ab dem 1. Januar 2025 soll auch hier die Textform ausreichend sein. Die sonstigen Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes für Überlassungsverträge bleiben aber unberührt. Zu nennen sind hier insbesondere die Pflicht, den Vertrag ausdrücklich als „Arbeitnehmerüberlassung“ zu bezeichnen (sog. Kennzeichnungspflicht) sowie die Person des Leiharbeitnehmers vor der Überlassung konkret zu bestimmen (sog. Konkretisierungspflicht). Ferner muss der Verleiher im Überlassungsvertrag erklären, im Besitz einer Überlassungserlaubnis zu sein. Diese Erklärung des Verleihers muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat bei Einleitung des Verfahrens nach § 99 BetrVG weiterhin vorlegen. Zukünftig reicht es aber auch hier folgerichtig aus, dass die dem Betriebsrat vorgelegte Erklärung des Verleihers der Textform genügt.
3. Gewerbeordnung
Arbeitszeugnisse müssen nach der Gewerbeordnung bislang zwingend schriftlich abgefasst sein. Ab dem 1. Januar 2025 reicht mit Einwilligung des Arbeitnehmers auch die elektronische Form (§ 126a BGB) aus. Dies dürfte nach unserer Einschätzung zu keiner erheblichen Erleichterung in der Praxis führen. So erfordert die elektronische Form eine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne von Art. 3 Nr. 12 der eIDAS-Verordnung,[4] welche in der Praxis bislang nicht weit verbreitet ist. Eine einfache Unterzeichnung z.B. per Docusign erfüllt die Voraussetzung einer qualifizierten elektronischen Signatur nicht. Es drängt sich die Frage auf, ob nicht auch hier ein bloßes Textformerfordernis ausgereicht hätte, da die meisten Bewerbungsverfahren heute ohnehin digital durchgeführt werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Nachweisbarkeit sprechen aber auch gute Argumente dafür, eine strengere Form als die Textform vorzuschreiben.
4. Arbeitszeitgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz
Arbeitgeber sind bislang verpflichtet, einen Abdruck des Arbeitszeitgesetzes, der auf Grund des Arbeitszeitgesetzes erlassenen, für den Betrieb geltenden Rechtsordnungen und die für den Betrieb geltenden Tarifverträge sowie Betriebs- und Dienstvereinbarungen im Betrieb zur Einsichtnahme physisch auszulegen oder auszuhändigen. Sofern der Arbeitgeber Jugendliche beschäftigt, gilt das Gleiche für das Jugendarbeitsschutzgesetz sowie für Informationen über die Arbeitszeiten und Pausen. Fortan reicht es ab dem 1. Januar 2025 aus, wenn die genannten Unterlagen über die im Betrieb bzw. der Dienststelle üblichen Informations- und Kommunikationstechniken, wie z.B. das Intranet, zur Verfügung gestellt werden.
5. Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Pflegezeitgesetz, Familienpflegezeitgesetz
Arbeitnehmer in Elternzeit haben unter den Voraussetzungen von § 15 Abs. 7 BEEG einen Anspruch auf Teilzeit. Unter anderem muss die Inanspruchnahme von Teilzeit rechtzeitig gegenüber dem Arbeitgeber angekündigt worden sein (sieben bzw. 13 Wochen vor Beginn der gewünschten Teilzeittätigkeit). Dieser Verringerungsantrag musste bislang schriftlich erfolgen. Ab dem 1. Januar 2025 reicht es aus, wenn der Antrag in Textform gestellt wird. Möchte der Arbeitgeber den Teilzeitantrag ablehnen, muss dies ebenfalls nicht mehr in Schriftform erfolgen. Auch hier ist die Textform ausreichend. Auch Anträge von Arbeitnehmern auf Pflegezeitgesetz bzw. Familienpflegezeit müssen zukünftig nur noch der Textform genügen.
6. Sozialgesetzbuch VI
Die bloße Erreichung der Regelaltersgrenze führt nicht automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Arbeitsverträge sehen daher regelmäßig (noch) vor, dass das Arbeitsverhältnis endet, wenn der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze in der Rentenversicherung erreicht. Hierbei handelt es sich um eine Befristung des Arbeitsverhältnisses, so dass für die Wirksamkeit dieser Befristung die Schriftform gewahrt werden muss (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Ab dem 1. Januar 2025 reicht nunmehr ebenfalls die Textform aus. Fraglich ist jedoch, wie mit nicht die Schriftform wahrenden Arbeitsverträgen umzugehen ist, die eine solche Klausel enthalten und vor dem 1. Januar 2025 geschlossen worden sind.
7. Fazit
Trotz der dargestellten, insbesondere für Arbeitgeber, erfreulichen Formerleichterungen ist dem Gesetzgeber mit dem Bürokratieentlastungsgesetz sicherlich kein großer Wurf gelungen. So bleiben z.B. die in der Praxis äußerst relevanten Schriftformerfordernisse für Kündigungen, Befristungen oder Betriebsvereinbarungen unverändert bestehen, obwohl sich auch hier die Frage stellt, inwieweit diese überhaupt noch zeitgemäß sind. Diverse Arbeitsgesetze wie z.B. das Betriebsverfassungsgesetz sind im Übrigen trotz der Änderungen im Zuge der Corona-Pandemie (z.B. durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz) noch deutlich unterdigitalisiert. Es bleibt abzuwarten, ob und wann der Gesetzgeber sich aufmacht, die Arbeitsgesetze fit für die digitale Arbeitswelt im 21. Jahrhundert zu machen.
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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht |
[1] Viertes Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Viertes Bürokratieentlastungsgesetz), BGBl. 2024 I Nr. 323 vom 29. Oktober 2024, abrufbar unter: https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2024/323/regelungstext.pdf?__blob=publicationFile&v=3
[2] Vgl. Art 74 Abs. 1 des Bürokratieentlastungsgesetzes.
[3] Ein Verstoß gegen diese Formvorschrift stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld von bis zu EUR 2.000,00 geahndet werden kann.
[4] Verordnung (EU) Nr. 910/2014.