Widerruf eines Maklervertrages: Wesentliche Widerrufsinformationen unter Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung


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Amtliche Leitsätze:

1. Die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB kommt nur dem Unternehmer zugute, der die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu dieser Bestimmung unverändert verwendet und richtig ausfüllt.

2. Der Unternehmer kann seine Informationspflichten auch durch eine Belehrung erfüllen, die von der Musterbelehrung abweicht, aber inhaltlich den in § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB geregelten Anforderungen genügt. In einem solchen Fall trägt der Unternehmer allerdings das Risiko, dass seine Information den allgemeinen Anforderungen an eine umfassende, unmissverständliche und nach dem Verständnis eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers eindeutige Belehrung genügt.


I. Sachverhalt

Die Kläger zu 1 und 2 waren bei der Immobilienabteilung der Stadt- und Kreissparkasse E. (im Folgenden: Sparkasse E.) als
Interessenten für den Erwerb einer in E. gelegenen Eigentumswohnung vorgemerkt. Mit einer E-Mail vom 18.04.2019 übersandte die Sparkasse E., die dabei als Vertretung für die Beklagte – eine Maklergesellschaft auftrat, der Klägerin zu 2 ein Angebot für eine zum Verkauf stehende Eigentumswohnung in E. In der E-Mail war der Link zu einem im Internet abrufbaren Exposé mit Objektinformationen und Fotos enthalten. Die Klägerin zu 2 aktivierte noch am gleichen Tag den Link und griff auf das Exposé zu. Diesem waren „Verbraucherinformationen“ und „Datenschutzhinweise“ beigefügt. Den „Verbraucherinformationen“ war u.a. folgende Formulierung zu entnehmen:

„(…) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage ab dem Tag des Vertragsschlusses. Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie
uns (die Sparkasse E.) informieren (…)“.

Den Widerruf richten Sie bitte an:

(…) Adresse 1
oder an die
(…) Adresse 2“.
 
Am 23.04.2019 unterschrieben die Kläger die zuvor von der Sparkasse E. als Anlage zu einer E-Mail übersandten „Objektnachweis und Provisionsvereinbarung“, mit welcher die Kläger die Beklagte mit der Vermittlung einer Gelegenheit zum Abschluss eines Kaufvertrags für die in Rede stehende Immobilie beauftragten und ihr hierfür ein Erfolgshonorar in Höhe von 3,57% des Gesamtkaufpreises in Aussicht stellten. Die unterschriebene Vereinbarung sandten die Kläger an die als Vertretung der Beklagten auftretende Sparkasse E. zurück. Am 18.06.2019 erwarben die Kläger die angebotene Immobilie und leisteten an die Beklagte am 11.07.2019 die Maklerprovision in Höhe von EUR 17.778,60. Mit E-Mail vom 13.02.2020 erklärten die Kläger sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber der Sparkasse E. den Widerruf des Maklervertrags und forderten infolgedessen die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung der Maklerprovision auf. Das Landgericht und das Oberlandesgericht als Berufungsgericht haben die auf die Rückzahlung gerichtete Klage abgewiesen.


II. Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat entscheiden, dass den Klägern zum Zeitpunkt ihrer Widerrufserklärung ein Widerrufsrecht nach §§ 355, 312g Abs. 1 BGB zustand.

Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Widerrufsfrist beginnt bei Fernabsatzverträgen allerdings nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB unterrichtet hat (§ 356 Abs. 3 Satz 1 BGB). Das Widerrufsrecht erlischt jedoch spätestens 12 Monate und 14 Tage nach dem in § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB genannten Zeitpunkt des Vertragsschlusses (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB). Ein Unternehmer hat zwei Möglichkeiten, die für den Beginn der Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB maßgebliche Informationspflicht gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB zu erfüllen. Er kann nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB das in der Anlage 1 zum Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung verwenden, muss dieses jedoch zutreffend ausfüllen und in Textform übermitteln. Entscheidet sich der Unternehmer für diese Form der Unterrichtung, so kommt er in den Genuss der sog. „Gesetzlichkeitsfiktion“ bzw. des „Musterschutzes“. Da die Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung nicht verpflichtend ist, kann der Unternehmer seine seine Informationspflichten auch dann erfüllen, wenn seine Belehrung von der Musterbelehrung abweicht, aber inhaltlich den in § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB geregelten Anforderungen standhält.

Das Berufungsgericht ist laut BGH zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beklagten die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB zugutekomme, obwohl die von der Beklagten gegebene Widerrufsinformation nicht vollständig mit der Musterbelehrung nach Anlage 1 zu dieser Bestimmung übereinstimme. Denn am Ende des zweiten Satzes hieße es „Vertragsschlusses“ statt „Vertragsabschlusses“; außerdem sei die Angabe von zwei möglichen Adressen, an die der Widerruf zu richten sei, in der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB nicht vorgesehen.

Der BGH stellte klar, dass die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB nur dem Unternehmer zugutekommt, der die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu dieser Bestimmung unverändert verwendet und richtig ausfüllt. Entscheidend ist die exakte Wiedergabe des Wortlauts der Muster-Widerrufsbelehrung. Jegliche Abweichungen schließen die Berufung auf die Gesetzlichkeitsfiktion aus, ungeachtet dessen, ob sie den Text der Widerrufsinformation verfälschen oder nicht. Die Inanspruchnahme der Schutzfunktion setzt voraus, dass der Unternehmer seine Informationspflicht erfüllt, indem er „das“ in der Anlage 1 vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung „zutreffend ausgefüllt“ und dem Verbraucher übermittelt.


III. Praxistipp

Die Verwendung des Musters der Widerrufsbelehrung stellt für den Unternehmer einen einfachen Weg dar, die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an den Inhalt einer Widerrufsbelehrung sicherzustellen. Jegliche, auch rein redaktionelle Änderungen des Musters sollen unbedingt vermieden werden. Will der Unternehmer eine individuell verfasste Widerrufsbelehrung verwenden, empfiehlt es sich, diese durch einen Rechtsanwalt prüfen zu lassen.

 

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